nterview mit Prof. Doz. Dr. Stefan Pilz
Prof. Doz. Dr. Stefan Pilz ist Endokrinologe an der MedUni Graz und erklärt, welche Rolle der Vitamin D Mangel noch spielt und wie man einen Engpass vermeiden kann.
Bis kürzlich wurde Vitamin D hauptsächlich als Prophylaxe gegen Rachitis, also Knochenerweichung, verabreicht. Doch Vitamin D kann viel mehr, haben Sie als Endokrinologe der Med Uni Graz in einer großangelegten Studie herausgefunden.Welches Ergebnis hat Sie selbst am meisten erstaunt?
Vitamin D Mangel ist ein bedeutender Risikofaktor für verschiedene Erkrankungen und Menschen, die an einem Vitamin D Mangel leiden, haben eine kürzere Lebenserwartung.
Wieso wirkt sich Vitamin D auf so vielfältige Weise positiv auf die Gesundheit aus?
Vitamin D wird im Körper zu einem Hormon umgewandelt, das auf praktisch alle Organe wirkt, indem es die Expression hunderter Gene moduliert, d.h. die Ablesung der Erbinformation beeinflusst. Ein Mangelzustand dieses Vitamin D Hormons Calcitriol ist somit einem Hormonmangel gleichzusetzen, da es wie ein Steroidhormon wirkt.
Welche Rolle spielt das Sonnenhormon für unser Immunsystem?
Unsere Immunzellen haben sowohl Rezeptoren für das Vitamin D als auch Enzyme für den Vitamin D Stoffwechsel, d.h. dass das Immunsystem als eine Art „Zielorgan“ für das Vitamin D angesehen werden kann. Vitamin D kann unsere Immunzellen in einer Art regulierenden Funktion beeinflussen. Es konnte z.B. nachgewiesen werden, dass Zellen, die uns vor Autoimmunerkrankungen schützen, sogenannte regulatorische T-Zellen, durch Vitamin D Gabe signifikant vermehrt werden können. Es gibt auch zahlreiche Studien zu den Effekten von Vitamin D auf Infektionskrankheiten und dabei konnte eine Meta-Analyse von Placebo kontrollierten Studien zeigen, dass Vitamin D Gabe zu einer signifikanten Reduktion von Infekten führt. Obwohl in diesem Zusammenhang auch angemerkt werden muss, dass nicht alle Studien einen positiven Effekt von Vitamin D auf Infektionskrankheiten nachweisen konnten, ist meiner Einschätzung nach die Datenlage ausreichend, um zu postulieren, dass die Wirkungen des Vitamin D auf unsere Immunzellen eine relevante Rolle für die Funktionalität unseres Immunsystems haben.
Wie viele Menschen in Österreich leiden schätzungsweise unter Vitamin D-Mangel?
Hierbei kommt es natürlich darauf an, wie der Mangel genau definiert wird bzw. wie und zu welcher Jahreszeit der Vitamin D Status bestimmt wird. Die letzten repräsentativen Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung zeigen eine Häufigkeit des Vitamin D Mangels von ca. 20 bis 40% an.
Welche Personengruppen sind vor allem betroffen?
Vor allem sind hier ältere Menschen, ganz besonders diejenigen in Altersheimen, betroffen. Generell ist aber ein Vitamin D Mangel sehr häufig bei Menschen festzustellen, die sich zu wenig dem Sonnenlicht aussetzen, da die Hauptquelle für das Vitamin D eine körpereigene Vitamin D Bildung in der Haut ist, für die die UV-B Strahlung der Sonne benötigt wird.
Und für welche Personengruppen ist eine ausreichende Vitamin D-Versorgung von besonderer Bedeutung?
Es sollte im Prinzip niemand einen Vitamin D Mangel haben, aber von gesundheitsökonomischer Bedeutung ist v.a. eine ausreichende Vitamin D Versorgung der älteren Bevölkerung, da man durch Vitamin D unter anderem auch Knochenbrüche und Stürze reduzieren kann. Bei Schwangeren und stillenden Frauen sowie natürlich auch deren Kinder, ist eine ausreichende Vitamin D Versorgung natürlich auch ganz wichtig.
Ab Oktober können wir in unseren Breitengraden wegen des niedrigen Sonnenstandes kein körpereigenes Vitamin D mehr produzieren. Den Bedarf über Lebensmittel allein zu decken, ist nicht möglich. Wie kommen wir dennoch gesund und fit durch den Winter?
Es klafft hier eine große Lücke zwischen der durchschnittlichen Vitamin D Zufuhr in der Bevölkerung von ca. 100 Internationalen Einheiten (IE) pro Tag und der offiziell empfohlenen Zufuhr von 800 IE Vitamin D pro Tag, die bei fehlender endogener Synthese, d.h. prinzipiell im Winter empfohlen ist. Da die Halbwertszeit des 25-Hydroxyvitamin D ca. 2-3 Wochen beträgt, kann man auch bei hohen Vitamin D Werten im Sommer einen Vitamin D Mangel im Winter entwickeln.
Wir arbeiten gerade an einem EU Projekt (ODIN), mit dem Ziel Vitamin D systematisch in der Nahrungsmittelindustrie zuzusetzen, um so die Bevölkerung ausreichend mit Vitamin D zu versorgen, wobei dies in Europa bereits in Finnland umgesetzt wurde.
Natürlich kann man derzeit durch die regelmäßige Einnahme von Vitamin D Supplementen einen Vitamin D Mangel im Winter vermeiden, wobei dies v.a. für Personen sinnvoll ist, die einen durch Blutuntersuchung nachgewiesenen Vitamin D Mangel haben oder aber einer bestimmten Risikogruppe angehören, z.B. Altersheimbewohner. Da man seine Vitamin D Werte aber auch durch Gewichtsabnahme erhöhen kann, ist auch das Vermeiden oder Reduzieren von Übergewicht eine Möglichkeit seine Vitamin D Werte etwas zu verbessern.